Oktober 2024
Porträt von Adolf Braungart (?)
Johannes Braungart (1803-1849)
Ca. 1837/1838
Der Künstler Johannes Braungart (1803-1849) ist heute insbesondere für seine Esslinger Ansichten bekannt. In zahlreichen Gemälden und Skizzen hielt er in den 1830er und 1840er Jahren Straßen- und Mauerzüge sowie einzelne Gebäude fest, die später teilweise abgerissen wurden. Ohne seine Arbeiten wüssten wir deutlich weniger über das Stadtbild Esslingens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es wird vermutet, dass sein Interesse an der mittelalterlichen Bausubstanz im Zusammenhang steht mit seiner Freundschaft zum Historiker Karl Pfaff. Die Bedeutung seiner Arbeiten ist daher bei der Erforschung der städtebaulichen Entwicklung vor der Erfindung der Fotografie nicht zu unterschätzen. Sein Werk wurde bisher mit drei großen Themen umrissen: Architektur, Landschaft und Pflanzen. Porträts waren bislang nicht bekannt. Im Ausstellungskatalog zu einer Braungart-Schau des Stadtmuseums im Jahr 1999 heißt es noch: „Nie wagt Braungart sich ans Porträt heran.“
Nachfahren von Johannes Braungart haben jüngst den Städtischen Museen Esslingen eine Reihe von bislang unveröffentlichten Arbeiten Braungarts vorgelegt, die sich im Familienbesitz befinden. Darunter ist ein zauberhaftes Porträt, das höchstwahrscheinlich seinen erstgeborenen Sohn Adolf Braungart (1835– 1892) zeigt. Das annähernd quadratische, leicht stockfleckige Blatt ist nur etwa 17 auf 17 cm klein. Mit zarten Bleistiftstrichen sind Kleidung und Körper des Kindes, breitbeinig auf einem Kissen oder Polster sitzend, skizzenhaft angelegt. Das Gesicht hingegen ist – ebenfalls mit Bleistift – detailliert ausgearbeitet. Ernsthaft blickt das Kind dem malenden Vater bzw. dem Betrachter entgegen.
Auf der Rückseite des Blatts findet sich mit Bleistift der Satz „Adolf Braungart gezeichnet von seinem Vater J. Braungart.“ Diese Erklärung wurde sehr wahrscheinlich nachträglich ergänzt, da es sich augenscheinlich nicht um Johannes Braungarts Handschrift handelt. Unten links ist zudem mit Tinte und wiederum in einer anderen, „moderneren“ Handschrift der Name Paul Braungart vermerkt. Paul war der Sohn von Adolf und lebte von 1864 bis 1935.
Eine Jahreszahl ist auf dem Blatt nicht angegeben, doch aufgrund des geschätzten Alters des dargestellten Kindes könnte das Bild um 1837 oder 1838 entstanden sein (sofern es sich um Adolf handelt). Braungart hat bis auf wenige Ausnahmen seine Arbeiten nicht signiert und datiert. Die Zeichnung macht hier keine Ausnahme. Stilistisch passt die Skizze in das Œuvre Braungarts. Dass Braungart das Talent besaß, Porträts anzufertigen, zeigt das vorliegende Blatt. Warum nicht mehr derartige Arbeiten von ihm bekannt sind, muss offen bleiben.
Johannes Braungart wurde 1803 in Rottenacker (im heutigen Alb-Donau-Kreis) geboren. Als kurz nacheinander beide Elternteile starben, kamen Johannes und sein älterer Bruder ins Waisenhaus nach Stuttgart. Dort wurde sein Talent zum Zeichnen und Malen früh erkannt und gefördert. Nach Beendigung der Schule lernte er in der Metallwarenfabrik Carl Deffner in Esslingen das Bemalen von Dosen, Tellern und anderen Haushaltsgegenständen aus Blech. Nach Ende seiner Lehrzeit war er als freier Mitarbeiter weiterhin für die Firma Deffner tätig, doch auch privat zeichnete und malte er viel und bot in Esslingen auch Unterricht in diesen Disziplinen an.
Im Herbst 1834 heiratete Braungart Pauline Scheffauer, die Tochter des Bildhauers Philipp Jakob Scheffauer. Ihr Sohn Adolf erblickte 1835 das Licht der Welt, 1837 folgte Tochter Adelheid und 1839 Sohn Hermann. In den ersten Jahren lebte die kleine Familie in der Heugasse 15, später in der Fabrikstraße. Das Geld muss häufig knapp gewesen sein, wie man seinen Briefen entnehmen kann. 1849 starb Braungart infolge einer Lungenkrankheit.
Über Braungarts Wesen ist nicht viel bekannt. Aus den Briefen, die er und seine Frau sich schrieben, geht jedoch eine tiefe Zuneigung hervor. Vielleicht können wir die liebevolle Darstellung seines Kindes so interpretieren, dass er auch als Familienvater ein großes Herz hatte.
Ob sein Sohn Adolf, mit vollem Namen Johannes Adolf Eberhard Theodor Friedrich Braungart, das künstlerische Talent seines Vaters erbte, wissen wir nicht. Er blieb nicht in Esslingen: Nach seiner Dienstprüfung 1858 nahm er 1862 eine Pfarrstelle in Berneck an. Dort heiratete er Pauline Heuss; die beiden bekamen zwei Töchter und einen Sohn. 1892 verstarb Adolf Braungart in Althengstett.