Objekt des Monats

Uhrmacher-Drehbank mit Zubehör
G. Boley
Holz, Metall
um 1950

(Städtische Museen Esslingen, STME 008071)

Aufgeklapptes Holzkästchen mit kleinteiligem Uhrmacherwerkzeug im Inneren
Fotografie: Michael Saile

Präzisions-Drehstühle für Uhrmacher bot die Esslinger Firma Boley in den 1950er Jahren in unterschiedlichen Zusammenstellungen und mit passendem Zubehör an. Ein entsprechender Produktkatalog weist das gezeigte Werkzeug als Drehstuhl mit geschlossener Wangenführung, einer Spindelbohrung von 8mm, einer Spitzenhöhe von 45mm und einer Wangenlänge von 260mm in der mittleren Zusammenstellung FM aus, die aus 75 Teilen bestand. Der Setpreis betrug 600 Mark. Der Antrieb erfolgte per Riemen durch einen Schwerfußmotor, der extra dazugekauft werden musste.  Die Herstellung von qualitativ hochwertigen Uhrmacherwerkzeugen war die ursprüngliche Geschäftsidee der Firma Boley und ihr Anspruch präziser Fertigung definierte mehr als 120 Jahre deren Markenkern.
Der 1835 in Köngen geborene Uhrmacher Gustav Boley erkannte während seiner Tätigkeit in Uhrmacherhochburg La-chaux-de-Fonds in der französischen Schweiz, wie wichtig hochwertige Werkzeuge für seinen Beruf waren. Allerdings waren die meisten Instrumente, mit denen er und seine Kollegen zu jener Zeit arbeiteten, keinesfalls optimal, da sie meistens selbst hergestellt waren. Als Boley im Jahr 1870 in seine Heimat zurückkehrte und sich in Esslingen niederließ, war sein Ziel eigentlich eine Uhrenproduktion mit Uhrmacherschule. Da ihm hierfür die Unterstützung der Württembergischen Regierung sowie eigene Mittel in ausreichender Höhe fehlten, gründete er ein Unternehmen für die Herstellung „verbesserter Werkzeuge“ für Uhrmacher. So entstand in der Mettinger Straße 11 das erste Unternehmen in Deutschland, das sich auf die Herstellung von Geräten und Werkzeugen aller Art für die Produktion und Reparatur von Uhren spezialisierte. Zu dieser Zeit befand sich die Uhrenindustrie in Deutschland im Aufschwung, weshalb Boley-Produkte bald sehr gefragt waren. Auch die Maschinen, die zur Herstellung der Uhrmacherwerkzeuge erforderlich waren, entwickelte und produzierte Boley selbst. Man fand für diese ebenfalls gute Absatzmöglichkeiten und erweiterte das Werk um eine Abteilung für die Herstellung von hochpräzisen Werkzeugmaschinen. Damit trug Boley wesentlich zum Entstehen und zur Entwicklung einer württembergischen Präzisionsindustrie bei. Wie wegweisend die Firma Boley mit ihrem besonderen Qualitätsanspruch und ihrem Knowhow für die Industrialisierung war, zeigt sich auch daran, dass mehrere Mitarbeiter später eigene Betriebe gründeten, die zu erfolgreichen Unternehmen an den Weltmärkten wurden. Unter ihnen auch der junge talentierte Feinmechaniker Ernst Sachs aus Konstanz, der in seiner vierjährigen Tätigkeit für Boley eine Werkzeugmaschine zur Patentreife brachte, bevor er wenige Jahre später sein Schweinfurter Unternehmen Fichtel und Sachs zu Weltgeltung führte und mit der Erfindung kugelgelagerter Fahrradnaben mit Freilauf und Rücktrittbremse sowie mit der industriellen Produktion von Kugellagern sprichwörtlich die Welt veränderte.
Die Firma Boley profitierte lange vom globalen Vormarsch der Industrie. Die Maschinen aus Esslingen waren weltweit gefragt und kamen in vielen Fabriken mit besonderen feinmechanischen Anforderungen zum Einsatz: in der optischen Industrie ebenso wie in elektrotechnischen Fabriken, in der Automobilindustrie ebenso wie in der Luft- und Raumfahrt. 1992 wurde das Unternehmen Teil des Drehmaschinenherstellers Citizen Machinery Europe, einer Tochterfirma des japanischen Unternehmens Citizen Watch Co. Ltd. 2003 erfolgte die Fusion zu Citizen Machinery & Boley GmbH (CMB), 2008 verschwand Boley schließlich ganz aus dem Firmennamen.  Die Citizen Machinery Europe GmbH (CME) ist für den Vertrieb und Service von Citizen-Drehmaschinen in Europa zuständig und betätigt sich auf dem Geschäftsfeld der Automatisierung.