Objekt des Monats

Juni 2025

Aushang der französischen Besatzungsbehörde
Mai/Juni 1945
Druck: Richard Bechtle, Esslingen am Neckar
 
Stadtarchiv Esslingen, StAE, E 0012, Verschiedenes

Alte Aushänge in Deutsch und Französisch.
Fotografie: Michael Saile (Ausschnitt)

Esslingen wurde am 22. April 1945 von US-Truppen besetzt, aber bereits am 3. Mai an die französische Armee übergeben. Sie war den Amerikanern bei der Inbesitznahme Stuttgarts zuvorgekommen und beanspruchte daher die Kontrolle über den gesamten mittleren Neckarraum.
 
In Esslingen sah man den Besatzungswechsel mit Sorge. Bei ihrem Vormarsch durch Südwestdeutschland im April 1945 hatten französische Soldaten vielerorts geplündert und Vergewaltigungen begangen. Gefürchtet wurden vor allem die nordafrikanischen Sturmtruppen der französischen Armee – ein Reflex des tiefsitzenden deutschen Rassismus. Klar war, dass aus französischer Sicht Rechnungen zu begleichen waren. Die NS-Kriegswirtschaft hatte auf der Ausplünderung der besetzten Gebiete beruht und deren Bevölkerung ruiniert. Das war auch in Frankreich so. Dazu kam der brutale Partisanenkrieg. So hatte ein gebürtiger Esslinger, der 1942 mit einem Empfang im Neuen Rathaus geehrte Generalleutnant Otto Ottenbacher, in Westfrankreich als Unterdrücker traurige Berühmtheit erlangt. Unsicher war außerdem, wie sich die in Esslingen verbliebenen französischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter verhalten würden.
 
Im Stadtarchiv gibt es nur wenige Dokumente zur französischen Besatzungszeit. Bemerkenswert ist eine vom 3. Mai 1945 stammende „Note de service pour le Maire d’Esslingen“. Darin wurde Oberbürgermeister Mackh u.a. angewiesen, vor der künftigen französischen Kommandantur im Oberesslinger Gasthaus „Deutscher Krug“ bis 17 Uhr einen fünf Meter hohen, blau gestrichenen Fahnenmast zum Hissen der Trikolore aufrichten zu lassen. Gefordert wurden diverse Personenlisten, darunter aller Esslinger Mitglieder der NSDAP, aber auch aller ausländischen Zwangsarbeiter, zudem die Anschriften aller „Freudenhäuser“. Andere Dokumente handeln von der Kommunikation mit der Bevölkerung. So bestätigte Mackh der französischen Kommandantur am 4. Juni den öffentlichen Aushang von 19 alliierten Proklamationen, Besatzungsgesetzen und Verordnungen, die der Stadtverwaltung von der französischen Behörde zur Bekanntmachung zugestellt worden waren. Einige der Aushänge sind wie druckfrisch erhalten. Es handelt sich um Belegexemplare des Bechtle-Verlages, der den Druck besorgt hatte. Sie gelangten in einem Nachlass der Verlegerfamilie ins Stadtarchiv.
 
Aufschlussreich für die Zeit der alliierten Besatzung ist der im Stadtarchiv aufbewahrte „Rechenschaftsbericht“ des Augenarztes Fritz Landenberger. Landenberger wurde im April 1945 von den Amerikanern als Esslinger Landrat eingesetzt und übernahm im September 1945 zusätzlich das Amt des Oberbürgermeisters. Ihm zufolge war die französische Besatzungspraxis härter als die der Amerikaner, fiel aber glimpflicher und „sachlicher“ aus als anfangs befürchtet. Der französische Stadtkommandant Major Jacque Borie ließ Straßenumbenennungen der NS-Zeit zurücknehmen. Emil Mackh, der im April 1945 von den Amerikanern ernannte Oberbürgermeister, wurde abgesetzt, weil Borie nicht bereit war, über Mackhs Mitgliedschaft in der NSDAP hinwegzusehen. Als schwere Belastung schildert Landenberger die teils „wilden“, teils planmäßigen Requisitionen von Maschinen, Rohstoffen, medizinischen Apparaten, Radios, Haushaltszubehör, Kleidung, Lebensmitteln und Vieh. Anders als die US-Armee mussten sich die französischen Besatzungstruppen überwiegend aus dem besetzten Gebiet versorgen. Transporte gingen aber auch nach Frankreich. Trotz dieses Aderlasses sei es unter Borie – so Landenberger – aber gelungen, die Ernährungslage zu stabilisieren und auch die prekäre Sicherheitslage zu verbessern, wenn auch auf niedrigem Niveau. Vor allem sowjetische, polnische und italienische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter hatten bewaffnete Gruppen gebildet, die sich durch Plünderungen und Gewalttaten an früheren Peinigern, aber auch wahllos an „den Deutschen“ rächten. Bei den Übergriffen wurden im Mai/Juni in und um Esslingen sieben Deutsche, eine Polin und eine so genannte Ostarbeiterin erschossen.
 
Die französische Besatzung Esslingens endete am 7. Juli 1945 mit der Rückgabe der Stadt an die US-Armee. Im Zuge der endgültigen Festlegung der Besatzungszonen war der Großraum Stuttgart ab der Autobahn Karlsruhe-Ulm den Amerikanern zugeschlagen worden.
 


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