Objekt des Monats

September 2024

Erinnerungsalbum
Hertie Waren- und Kaufhaus-GmbH
Februar 1962 bis Dezember 1963
 
Städtische Museen Esslingen, STME 008364

Album mit eingeklebten Zeitungsausschnitten und Schallplatte.

Viel Selbstbewusstsein und ein bisschen Stolz sprechen aus dem großformatigen Album, in dem Hertie-Mitarbeiter:innen über zwei Jahre akribisch Zeitungsartikel, Fotografien und andere Erinnerungsstücke an „ihr“ Kaufhaus in der Esslinger Bahnhofstraße gesammelt haben. Mit dem Charme eines Familienalbums lässt es die Anfangsjahre 1962/63 und die (schon bald verblassende) Strahlkraft der großen Konsumtempel des 20. Jahrhunderts wiederauferstehen.

Ende der 1950er Jahre bewegte den Esslinger Gemeinderat die Frage, wie der Einzelhandel vor Ort mit dem großen Konkurrenzangebot der Stuttgarter City noch standhalten könne. Aus diesem Grunde sollte die neue Bebauung der Bahnhofstraße dazu dienen, wirtschaftliche Impulse zu geben. Der Entschluss, das Grundstück, auf dem sich der Städtische Saalbau befunden hatte, an die Hertie Waren- und Kaufhaus-GmbH zu verkaufen, wurde deshalb mit großer Mehrheit getroffen. Das Kaufhaus sollte dazu beitragen, die Innenstadt zu beleben.

Das Album beginnt mit Berichten der Esslinger Zeitung über das Voranschreiten des Baus im Jahr 1962. Die Begeisterung der Redakteur:innen ist spürbar, wenn Bauabschnitte geschafft werden und darüber, dass sich „eines der höchsten Gebäude unserer Stadt“ (EZ vom 17. August 1962) nun über die Bahnhofstraße erhebt. Es folgen verschiedene Anzeigen, in denen Dutzende Verkäufer:innen, Schaufenstergestalter:innen, Lehrlinge, Köch:innen und viele mehr gesucht werden, um das neue Kaufhaus in Betrieb zu nehmen.

Am 1. März 1963 fällt schließlich der Startschuss – um 9 Uhr öffnet „eines der modernsten Kaufhäuser Deutschlands“ (EZ vom 1. März 1963). Eine Einladungskarte für die Feier mit den Ehrengästen am Vortag bezeichnet das Kaufhaus gar als „Das neue Schmuckstück der Stadt“. Einige hundert Menschen warten am Morgen des 1. März vor den Türen und werden von acht Feuerwehrleuten hinter den Absperrungen gehalten. Um die Mittagszeit muss sogar die Polizei eingreifen, da der Andrang zu groß wird.

Ein besonderes Erinnerungsstück im Album ist eine Schallfolie zur Schau „Jugend International“ mit dem Musikstück „Davon träumen alle jungen Leute“ von Monika Grimm und René Kollo. Mit ihr bewarb Hertie seine erste Modenschau, die am 18. März 1963 im Scala stattfand und musikalisch von Bibi Johns, Greetje Kauffeld und anderen Musiker:innen begleitet wurde. Der Eintritt kostete 2 DM; eine Eintrittskarte findet sich zusammen mit Fotos von der Veranstaltung ebenfalls im Album.

Es folgen eine Reihe Werbeanzeigen („Ohne Kühlschrank geht es nicht!“) und Fotos von verschiedenen Schaufensterdekorationen und besonderen Aktionen („Von Tokio bis Neu-Delhi“, „Mensch oder Roboter? Worauf tippen Sie?“). Großformatige Fotografien der einzelnen Abteilungen zeugen davon, dass die Entbehrungen des Kriegs endgültig hinter den Stadtbewohner:innen lagen und wieder in Hülle und Fülle konsumiert werden konnte. Doch schon 30 Jahre später endete die „Ära Hertie“.

Das erste Warenhaus der Kaufleute Oskar und Hermann Tietz entstand 1882 in Gera. In den kommenden Jahren expandierte das Unternehmen und gründete zahlreiche Filialen. 1926 übernahm es vom Unternehmen A. Jandorf & Co. das legendäre Kaufhaus des Westens in Berlin, das KaDeWe. 1934 wurden im Zuge der so genannten Arisierung die Gesellschafter der jüdischen Familie Tietz gezwungen, aus dem Geschäft austreten. Nach 1945 wurden die westdeutschen Filialen wieder aufgebaut, neue kamen hinzu. Das Unternehmen florierte und profitierte vom Wirtschaftswunder. Es galt das Prinzip: Waren und Konsum für alle. In dieser Zeit entstand auch das Esslinger Kaufhaus. Doch in den 1980er Jahren gingen die Umsätze stark zurück und der Niedergang begann. 1993 wurde Hertie an die Karstadt AG verkauft. Heute, über drei Jahrzehnte später, hat das Konzept des Vollsortimenters aufgrund eines geänderten Konsumverhaltens weitestgehend ausgedient.


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