Objekt des Monats

November 2024

Vor 575 Jahren: Die Schlacht am Mutzenreis am 3. November 1449
Missivenbücher, Bd . 3, Bl. 219 v

Stadtarchiv Esslingen, StAE Reichsstadt, MB 3, Bl. 219v

Ein dickes altes Buch. Auf der aufgeschlagenen Seite steht ein handschriftlicher Eintrag.
Fotografie: Stadtarchiv Esslingen

Das späte 14. und 15. Jahrhundert ist in Süddeutschland durch zahlreiche militärische Auseinandersetzungen gekennzeichnet, von denen sich ein Großteil zwischen (Reichs-)Städten und fürstlichen Landesherren sowie deren adeligen Unterstützern vollzog. Insbesondere die Städte versuchten dieser permanenten Bedrohung ihrer Position durch verschiedene Bündnissysteme zu begegnen, in denen immer wieder auch Esslingen eine führende Rolle einnahm.
 
Für die Reichsstadt am mittleren Neckar kristallisierte sich immer mehr die Grafschaft Württemberg als der entscheidende, fast alleinige politische Konkurrent heraus, dessen Besitzungen das insgesamt überschaubare Territorium Esslingens immer mehr umschlossen. Dieser Strukturkonflikt mit Württemberg fädelte sich so in die allgemeine Entwicklung einer verschärften Auseinandersetzung zwischen den bürgerlichen Städten und adeligen Territorien ein.
 
Bereits 1388 hatten die in dem Schwäbischen Städtebund vereinigten Städte, darunter Esslingen, in der Schlacht von Döffingen eine Niederlage gegen eine adelige Allianz unter Führung Württembergs erlitten. Nach einer teilweise eher konfliktärmeren Periode, insbesondere zwischen dem wirtschaftlich prosperierenden Esslingen und Württemberg, eskalierten die Auseinandersetzungen erneut in den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts. Sie verbanden sich unheilvollerweise mit weiteren Fehden, so dass man rückblickend vom "Großen Städtekrieg" spricht.
 
Unmittelbarer Auslöser der militärischen Konfrontation, die sich bereits in verschiedenen Konflikten angebahnt hatte, war ein kaiserliches Zollprivileg zugunsten der Reichsstadt von November 1447, mittels dessen Esslingen seine Einnahmen zu erhöhen versuchte. Graf Ulrich von Württemberg reagierte auf diese deutliche Erschwerung seiner Ökonomie, nachdem die Esslinger keine Neigung zeigten, die Erhöhung zurückzunehmen, mit Verhaftungen, kriegerischen Übergriffen und einer Handelsblockade. Der ab 1449 offene Krieg zeigte sich zunächst vor allem in Form gegenseitiger Plünderungen und Verwüstungen.
 
Vergleichsweise spät erreichten die Truppen des Städtebundes die bedrohte Reichsstadt. Am 3. November 1449 kam es schließlich unweit Esslingens, auf dem südlichen Neckarufer beim Wäldchen Mutzenreis auf der Plienshalde zu einer Schlacht oder einem Scharmützel, das mit einem Sieg der Fürsten und Herren endete, obwohl man immerhin Graf Ulrich V. von Württemberg ("den Vielgeliebten") an der Hand verletzen konnte. Die Städte hingegen verloren mehr als 50 Kämpfer sowie ihre beiden Hauptleute Walter Ehinger aus Ulm und Hermann Bopfinger aus Nördlingen. 
 
Auch Esslingen hatte schwere Verluste zu beklagen. So heißt es in einer Aufstellung über die gefallenen, verletzten und vermissten Städter: "So sind der unsern von Esselingen daselbs underkomen und uff der walstatt tod beliben zwen und zwainzig ...". Mit den 22 Gefallenen und dazu noch fünf Gefangenen hatte Esslingen den größten Preis für die Niederlage zu zahlen.
 
Die Auswirkungen der Niederlage Esslingens und der anderen Städte waren schwer und vielfältig: Ökonomisch verlor die Reichsstadt kurz- und mittelfristig ganz erheblich an kommunalem und privatem Vermögen. Politisch ebnete sie den Weg für die lange Dominanz Württembergs über die Esslinger, die 1473 manifest wurde, als Württemberg in ein Schirmverhältnis eintrat, das die Reichsstadt 1455 mit den Markgrafen von Baden abgeschlossen hatte. Während Baden spätestens ab dem frühen 16. Jahrhundert seine Bedeutung für Esslingen verlor, sollte die württembergische Suprematie über Esslingen noch bis zum Ende der Reichsstadtzeit 1802/03 andauern.
 
Dr. Joachim J. Halbekann